Weingut Umathum

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Josef Umathum ist ein Winzer, der eng mit seinem Boden verbunden und doch stets am Puls der Zeit ist. Umathum bedeutet vor allem auch umdenken, umformen und das über die Landwirtschaft hinaus. Der Wert der Erzeugnisse liegt in deren Lebenskraft. Zur Förderung des Bodenlebens und der Biodiversität werden Kräuter und Obstbäume mitten unter die Reben gepflanzt. Im Weingut wird weitgehend traditionell und handwerklich gearbeitet, auch werden alle Trauben seit jeher von Hand verlesen und den Weinen wird viel Zeit für die Entwicklung gelassen. Der Stil der Weine ist seidig, fein, mit delikaten Fruchtaromen und einem harmonischen Gesamtbild.

Winzer Josef Umathum © Franz Helmreich
Weinkathedrale Seitenschiff © Franz Helreich Fotografie
Weingut Umathum © Franz Helreich Fotografie

Unsere enge Verbindung mit der Region und Geschichte drückt sich im traditionell-klassischen Geschmacksprofil der Weine, am Etikett und in der Architektur des Weingutes aus.

Pepi Umathum

WINZER IM FOKUS

1. Welche Herausforderungen siehst du im Weinbau heute und wie gehst du damit um?

Josef Umathum: Der Klimawandel beschäftigt uns nicht nur seit gestern und wird auch in den nächsten Jahrzehnten das bestimmende Thema bleiben. Schon seit Anfang der 1990er-Jahre sehen wir, dass es nicht nur wärmer wird, sondern auch die Extreme zunehmen, und zwar in ihrer Intensität, lokal und im zeitlichen Rahmen. Konkret gesagt, es regnet lange gar nicht und dann gleich Unmengen an einem Ort und nur wenige Kilometer weiter herrscht Trockenheit. Es ist extrem heiß und innerhalb weniger Stunden gleich wieder bitterkalt. Sich dahingehend anzupassen, ist nahezu unmöglich.
Aber jetzt in Hektik zu verfallen würde bedeuten, diesen rasanten Auf und Abs in unseren Abläufen zu folgen. Auf unserem Weingut ist es jedoch von großer Bedeutung nach dem eigentlichen Rhythmus der Natur zu leben: Das Wachstum und die Entwicklung im Frühling und Sommer, die Reife im Herbst und die Ruhe und die Besinnung im Winter. Die Basis dafür ist zunächst sich als Mensch in seiner Arbeit wieder zu finden, Sinn und Stärkung zu erhalten und daraus Kraft zu schöpfen, um diese enormen Herausforderungen zu bewältigen.


2. Du hast dich 2005 für den biodynamischen Anbau nach den Prinzipien von Rudolf Steiner entschieden. Was hat dich zu diesem Schritt bewogen und welche Veränderungen hast du seitdem beobachtet?

J. U.: Diese Entscheidung ist im Wesentlichen schon viele Jahrzehnte früher gefallen und geschah aufgrund der intensiven Auseinandersetzung mit der Natur und unserem Verständnis von der wahren Bedeutung der Landwirtschaft, nämlich die Menschen mit „Lebensmitteln“, also Mitteln, die Lebendigkeit innehaben, zu versorgen. In der Biodynamie finde ich historisches Naturwissen verbunden mit philosophischer Ausrichtung.
Die Veränderungen passieren in unserer Betrachtungsweise, es ist eine Interaktion von anregen und angeregt werden. Wenn ich durch die Landschaft gehe, stellt sich für mich die Frage, ob eine Pflanze vorher nicht da war oder ob ich diese nicht gesehen habe. Es geht also auch darum seinen eigenen Blick zu schärfen und seine eigene Position zu ändern. Damit erlebt man die Welt anders, riecht anders, schmeckt anders. Man fragt sich: „Sind die Weine so anders geworden oder verkoste ich anders?“ Das ist die eigentliche Veränderung.


3. Du beschreibst den Weingarten als Basis und betonst die behutsame Bodenpflege und Erhaltung der Artenvielfalt. Wie genau setzt du diese Prinzipien in deinem täglichen Weinbau um?

J. U.: Der Boden, die Erde ist die Lebensgrundlage für eine gedeihende Landwirtschaft. Bis in die 80er-Jahre hatten wir am Hof eigene Rinder und seit den 90er-Jahren arbeiten wir mit Rinderhaltern zusammen, die Flächen im Nationalpark Neusiedler See beweiden. Von dort bekommen wir besten Rindermist. Dieser wird mit Trestern und Gesteinsmehl versetzt und zur Verrottung gebracht. Daraus entsteht allerbester Kompost, der wiederum zur Bodenbelebung auf allen unseren Parzellen eingesetzt wird. Die Ergebnisse sind eindeutig: Der Boden kann mehr Wasser und Nährstoffe speichern, ist voller Mikroorganismen und mit feinsten Wurzeln durchsetzt. Die darauf wachsenden Pflanzen erhalten so einen reich gedeckten Tisch und können sich entscheiden, was sie „essen“, wie viel und zu welcher Zeit. Damit werden sie selbständiger und können sich auf Veränderungen besser anpassen. Das ist die Basis.


4. Du verzichtest bewusst auf die Kennzeichnung deiner Weine als „Bio“, obwohl du biodynamisch arbeitest. Warum hast du diese Entscheidung getroffen? Siehst du Bio zum Teil als Marketing-Tool bei anderen Betrieben?

J. U.: Für jeden Landwirt und Winzer sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, seine Böden so zu bearbeiten, dass diese reichhaltiger werden. Eine Plakette und ein Marketingschrei sagt nichts aus. Wenn die Bearbeitung den Regeln der Bürokraten und nicht den Bedürfnissen der Pflanzen und den Gegebenheiten vor Ort folgen soll, läuft etwas falsch.
Die Freiheit die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit zu treffen, ist massiv eingeschränkt. Wir ersticken in einer zunehmenden Bürokratie. Ich bin Winzer und möchte mehr Zeit für meine Reben, meine Mitarbeiter und Kunden haben. Dafür verzichte ich gerne auf die abhängig machenden Hilfsgelder.


5. Wie beeinflussen die Prinzipien des biodynamischen Anbaus die Qualität und den Geschmack deiner Weine?

J. U.: Die Pflanzen werden in ihrer Wachsamkeit und in ihren Abwehrkräften gestärkt. Eine Anpassung an Veränderungen erfolgt schneller und besser, vor allem tiefgründiger. Das vegetative Wachstum geht zurück und die Intensität des Geschmackes in den Früchten wird verstärkt. Das drückt sich in niedrigeren Alkoholwerten und frischerer Säure aus. Insgesamt kann man von mehr Mineralität sprechen. Bei den klassischen Weinbewertungen wird es allerdings für diese Art von Weinen schwieriger, da dort Fülle und Cremigkeit bevorzugt werden.

6. Du erwähnst, dass Weinbau ein kultureller Akt ist und der Mensch bewusst Einfluss auf die natürlichen Prozesse nimmt. Wie verbindest du diese Philosophie mit deinen täglichen Arbeitsabläufen?

J. U.: Nehmen wir das Beispiel Vergärung. Wir lassen es nicht einfach geschehen, sondern ernten kurz vor Beginn der Weinlese einige wenige Trauben. Der daraus gewonnene Saft beginnt mit der natürlichen Gärung, dann wird alles, was aufschwimmt abgeschöpft und der abgesetzte Trub ebenso entfernt. Der gärende Saft wird dann mehrmals am Tag unter dem Mikroskop kontrolliert, um die Aktivität der Hefe zu beobachten. Später wird immer wieder frischer Traubensaft zugesetzt, um die Gärung in Schwung zu halten. Mit diesem sogenannten „Hefeansatz“ wird dann der ganze Jahrgang vergoren. Wir haben somit eine natürliche jahrgangseigene Hefe, die durch Menschenhand kontrolliert wird und auch die Sicherheit einer sauberen und sicheren Gärung. Kontrollierte Individualität.


7. Ihr arbeitet intensiv mit autochthonen österreichischen Rebsorten wie Sankt Laurent, Zweigelt und Blaufränkisch. Was macht diese Rebsorten für dich so besonders und wert, bewahrt zu werden?

J. U.: Diese Sorten sind unsere Identität in Rot. Blaufränkisch und Sankt Laurent wachsen in unserer Klimazone schon seit vielen Jahrhunderten. Hier spiegelt sich ein ganz eigener Geschmack und Charakter wider. Als ich Mitte der 80er-Jahre nach meinen Lehrjahren im Ausland zurück ins Weingut gekommen bin, hatte ich erst einmal Merlot und Syrah gepflanzt. Die damals noch kühleren Winter und die trockenen Sommer setzten diesen Reben enorm zu. Das gab den Impuls, mich mit den ursprünglichen, heimischen Sorten intensiver auseinanderzusetzen. 1989 startete ich unser Projekt der besseren Auswahl dieser heimischen Sorten, der Fachbegriff dazu ist „Selection Marsalle“. Dabei wird zunächst ein Idealbild der jeweiligen Sorte erstellt, z. B. kleine, robuste Beeren, hohe Resistenz gegen Krankheiten, späte Reife, usw. Dann sucht man in einem möglichst alten Weinberg, dessen Rebstöcke sich viele kalte Winter und heiße Sommer „gemerkt“ haben und sich an Klima, Boden und an unsere Bewirtschaftung angepasst haben, diejenigen Pflanzen aus, die dem Idealbild am nächsten kommen. Diese Weinreben werden dann über einige Jahre beobachtet und weiter selektioniert. Die Auswahl ist derart streng, dass von z. B. ursprünglich 100 Reben am Ende des Prozesses nur etwa 10 übrigbleiben. Diese sind dann unsere sogenannten „Mutterstöcke“ und dienen zur weiteren Vermehrung. Wir haben heute an die dreißig verschiedenen Varianten der heimischen Sorten und alle Neupflanzungen der letzten 30 Jahre stammen aus diesem eigenen genetischen Fundus. Das ist einzigartig in Österreich und auch international machen das nur ganz wenige Betriebe.


8. Ihr experimentiert mit neuen Rebsorten, die gegen Pilzkrankheiten resistent sind. Welche Erfahrungen hast du bisher damit gemacht und welche Zukunft siehst du für diese neuen Sorten im Weinbau?

J. U.: Neben der Selection Marsalle haben wir im kleinen Umfang Anfang der 2000er-Jahre mit der Auspflanzung von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten begonnen. In den kommenden Jahrzehnten werden die Konsumenten weiter eine höhere Sensibilität in Bezug auf Umwelt schonendere Produktion entwickeln und Weine mit niedrigeren Alkoholwerten verlangen.
Unsere Ansprüche an die neuen Sorten sollen diese Bedürfnisse erfüllen können. Hinzu kommt auf jeden Fall eine intensiver werdende Sonnenstrahlung und vermehrt schwüles, pilzförderndes Wetter. Es braucht also Rebsorten, die eine hohe Pilzresistenz, lockerbeerige Trauben und Blätter, die diese von außen beschatten, haben. Ein aufrechter Wuchs bringt Erleichterung bei der Arbeit im Weingarten und zeigt zudem die Ausstrahlung, den „Stolz“ einer Pflanze.


9. Grund und Boden siehst du nicht als Besitz, sondern als Partnerschaft. Wie beeinflusst diese Sichtweise deine Beziehung zu deinem Land und deinen Weingärten?

J. U.: Generationen vor mir haben diese Erde gepflegt und ihre Lebensgrundlage daraus gezogen. Ich will diese so behandeln, dass sie reicher an Lebendigkeit wird. Ich finde es unglaublich erfüllend Landschaft im positiven Sinn gestalten zu dürfen. Ich darf im Schatten der Bäume sitzen, die meine Vorfahren gepflanzt haben, und ich pflanze ebenso Bäume für die Menschen, die in Zukunft nach Schatten suchen.


10. Wie siehst du die Zukunft des biodynamischen und biologischen Weinbaus in Österreich und weltweit? Welche generellen Trends oder Veränderungen in der Weinindustrie hältst du für relevant und wie passt du dich diesen an?

J. U.: Bio und auch die Biodynamie haben den Sprung von einigen wenigen Urgesteinen zum schicken Trend vollzogen. Es bewegt sich alles in seichten Gewässern und es fehlt an Tiefe. Bio ist oftmals schon industrielle Landwirtschaft mit Kosteneffizienz und Gewinnsteigerung. In der Biodynamie finden sich viele Esoteriker wieder, die Grenze ist fließend. Wie es scheint, geht die Entwicklung weiterhin in Richtung Fassade und Marketing und ich vermisse oftmals eine echte praktische Umsetzung. Wir werden weiterhin Rebfläche und vor allem Produzenten verlieren. Die Konzentration schreitet ungehindert fort. Gehypte Marketingprodukte machen es den klassischen Erzeugern schwer, wirtschaftlich zu überleben. Wir konzentrieren uns auf unsere Kernaufgaben, sprich Bodenpflege, Pflanzenpflege und höchste natürliche Qualität und versuchen dies mit Mitarbeitern zu schaffen, die Freude an dieser Arbeit haben und nicht den Verlockungen von Geld und Freizeit nachjagen.
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